digidentity

Ah, so sehen also Mädchen aus!

Ich bin heute wirklich müde. Der Tag war lang, die Augenringe hängen tief, die Haare saßen eh noch nie und wo ist überhaupt das Make Up von heute Morgen hin? Da wär ich doch wirklich dämlich ein Selfie von mir zu posten. Gott sei Dank gibt es aber diese Apps, die mich in nur wenigen Klicks (oder muss man von wenigen „touches“ sprechen) in ein Social Media taugliches Geschöpf verwandeln, damit ja keiner weiß, dass ich auch schlechte Tage habe und wie mein Gesicht generell so in Natura aussieht. Also habe ich mir 3 Apps runtergeladen, die mich im idealfall unnatürlich natürlich aussehen lassen sollen.

App Nr. 1: FaceApp

Diese App hat mich voll und ganz fasziniert und schockiert. Kurz das Handy vors Gesicht gehalten, schon hat die Gesichtserkennung mich erfasst. Der erste Effekt der vorgeschlagen wird ist „Lächeln“. Plötzlich strahlen mir weiße, nicht ganz gerade Zähne entgegen, die wohlgemerkt nicht meine Eigenen sind. Klingt im Moment gar nicht so schlimm? Es ist ein grausiger Anblick. Eigentlich wollte ich euch diesen vorenthalten, aber das kann ich dann doch nicht.

Die nächsten Effekte sind nicht besser: Ich kann mein Gesicht in alt & faltig betrachten, kann mir eine komische Brille aufsetzen und und und… Aber ich wollte mich ja schöner machen! Zum Glück schlägt die App dann doch noch vor was ich suche: Hollywood. Das klingt doch vielversprechend. Zudem finde ich die Effekte „Mädchen“ und „Mädchen 2“. Die haben mich wirklich sehr interessiert. Was hält die App denn für weiblich?

„Mädchen“ (unten links) soll wohl eher eine Erwachsene Frau darstellen, wie ich jetzt einfach mal an den Augenfältchen vermute. Zudem ist meine Haut bleicher, die Wimpern sind länger und natürlich habe ich rote Lippen. „Mädchen 2“ (unten rechts) hat mich in ein ca. 7 jähriges Mädchen verwandelt, wobei ich wirklich nicht weiß, was da mit meinem linken Auge passiert ist. Auch hier bin ich blasser, die Bäckchen jedoch etwas rosiger und jegliche Alterserscheinungen sind aus meinem Gesicht gewichen. „Hollywood“ (oben rechts) hat mir einfach mit der Make Up Flinte ins Gesicht geschossen. Ich lasse das Homer mal erklären:

Die „Beautyfizierung“ steht bei dieser App nicht an erster Stelle, sie soll hauptsächlich unterhalten. Ich denke die meisten werden die App runterladen, einmal kurz alle kostenlosen Filter ausprobieren, vielleicht über die Ergebnisse schmunzeln und sie mit Freunden teilen und sie dann wieder löschen. Es gibt zwar noch weitere Filter, die tatsächlich zur Verschönerung gedacht sind, jedoch kann man diese nicht kostenfrei nutzen. Um seine Selfies zu optimieren ist man hier eher an falscher Stelle.

App Nr. 2: YouCam Makeup

Ich muss sagen, diese App ist recht komisch. Nach dem runterladen musste ich mich erstmal anmelden bzw mich mit meinem Facebook Konto verbinden. Das Ganze soll wohl etwas zwischen Instagram und Pinterest sein. Man kann seine Bilder nach dem Bearbeiten veröffentlichen, mit ein paar Tags versetzen und in einem Netzwerk posten. In der App Beschreibung sah das sehr vielversprechend aus:  „Makellose Haut in nur einem Wisch“, „Make Up testen“, „Probiere neue Haarfarben aus“, „Selfies verschönern“ – genau das was ich gesucht habe! Doch beim Benutzen musste ich schnell feststellen, dass die meisten Features nur durch In-App Käufe verfügbar waren. Was mir blieb waren ein paar Farb- und Make Up Filter. Zudem konnte ich zum Beispiel noch meine Augenfarbe verändern.

Wenigstens sehe ich etwas fitter und weniger nach mir selbst aus!

App Nr. 3: Facetune 2

Diese App war mir schon bekannt. Sie wird angeblich von vielen Promis genutzt. Auch hier sind viele Feature nur mit einem Abo verfügbar, jedoch bleibt einem auch so genug Spielraum. Angefangen habe ich mit „Retuschieren“: Mit der Funktion „Glätten“ verschwinden schnell alle Fältchen. Mit „Abdecken“ einmal über die Augenringe und die Unreinheiten gefahren und schon sind auch diese wie weggeblasen. Mit „Leuchten“ strahlen die Augen. Sogar meine Gesichtsfarbe kann ich verändern und mit „Ton“ auch die Lippenfarbe. Unter der Kategorie „Gesicht“ kann ich mir auch hier ein Lächeln ins Gesicht zaubern, aber das versuche ich nicht noch einmal, man lernt ja aus seinen Fehlern. Meine Gesichtsform kann ich jedoch verschmälern. Die Kategorie „Umformen“ lässt mich an meinem Gesicht rumdrücken und schieben wie ich möchte, also mache ich mal die Nase etwas kleiner, die Lippen etwas gerader, zum Schluss noch ein kleiner Farbfilter drüber et voilá! Fertig ist das optimierte Selfie.

Vorher                                                          Nachher

Das sieht doch noch aus wie ich oder? Ich lasse mir das Original anzeigen und stelle fest: Nicht ganz. Zwar kann man mich noch erkennen, aber die Unterschiede zur Realität sind nicht verkennbar. Leute die mich nur über Social Media kennen und mich dann persönlich treffen wären sicherlich etwas verwirrt. Es tut auch mir nicht gut so an meinem Gesicht rumzuschustern. Beim Nutzen dieser Apps erkennt man immer mehr angebliche Mäkel die man schnell ausradiert, die man vielleicht vorher nie entdeckt hat aber einen plötzlich unsicher werden lassen.

„Aber nicht mit mir“, denke ich, während ich ungeschminkt, mit ungekämmten Haaren im Bett sitze, lächle und alle 3 Apps nacheinander von meinem Handy lösche. Schon komisch, was wir so tun, um im Internet gut dazustehen.

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

5 Kommentare

  1. Jasmin 24. Juni 2018

    Schöner und unterhaltsamer Beitrag!
    ich finde es toll, dass du mehrere Apps ausprobiert hast und dass du vor allem so mutig bist auch deine „nicht-so-schöne“-Seite zu zeigen. Du gibts einen guten Überblick über die verschiedenen Funktionen und Möglichkeiten. Persönlich nutze ich keine solchen Apps, aber ich bin von deinen Ergebnisses wirklich erstaunt. Insbesondere bin ich von den ganzen technischen Möglichkeiten überrascht, die eine App zur Verfügung stellt.

    • Nadja 2. Juli 2018 — Autor der Seiten

      Vielen Dank, es ist einfach irgendwo auch befreiend sich bei so einem Thema zu zeigen wie man eben aussieht. Ich muss sagen, ich war auch sehr überrascht. Bei vielen Apps gibt es ja schon Voreinstellungen, die dein Gesicht verändern ohne dass du aktiv selbst bearbeiten musst. Da lädt man ein Bild hoch und sofort sind alle Falten und Unreinheiten beseitigt, plötzlich trägt man Make Up und hat lange Wimpern. Das ist schon erstaunlich wie das technisch funktioniert.

  2. Digidentity 25. Juni 2018

    Ja, ein toller Beitrag.
    Hier ein verspieltes und doch kritisches Video zu den Schönheitsidealen, die oft gepusht werden
    The ugly business of beauty apps

  3. Sabrina 27. Juni 2018

    „Frauen mögen es nunmal nicht, wenn man ihnen ins Gesicht schießt.“

    Ja, da gebe ich Lisa voll und ganz recht. Ich persönlich finde solche Schöhnheitsapps sehr fraglich und habe auch noch nie welche verwendet (abgesehen von den normalen Bildbearbeitungsprogrammen, die man auf einem Android-Smartphone vorinstalliert hat) und dein Beitrag unterstützt mich in dieser Entscheidung! Danke für den sehr unterhaltend geschriebenen Beitrag. Ich geh dann mal die Abschmink-Flinte holen 😉

    • Nadja 2. Juli 2018 — Autor der Seiten

      Freut mich, dass ich dich unterhalten konnte! Ich denke es tut einem selbst und auch anderen einfach nicht gut. Wenn man sich selbst dauernd bearbeitet, kann man doch gar nicht zufrieden mit sich werden und anderen gibt man dadurch ein falsches Bild von sich, was dann wieder Selbstzweifel in den Betrachtern auslösen kann, zum Beispiel: „Wieso hab ich nicht so reine Haut?“

Schreibe einen Kommentar zu Nadja Antworten abbrechen

© 2024 netzmetaphern

Thema von Anders Norén